· von Jan Knupper ·


Germinal

Ausgangspunkt des neuen Kalenders war der 22. September 1792 (1. Vendémiaire des Jahres 1). Dies war der Tag der Republikgründung, gleichzeitig der Herbstanfang (Tag- und Nachtgleiche). Das Jahr hatte 12 Monate zu je 30 Tagen, mit 5 oder 6 Ergänzungstagen am Schluss des Jahres. Die Namen der Monate richteten sich nach der Natur und der Landwirtschaft. Aus der Endung konnte man unmittelbar auf die Jahreszeit schließen:
Herbst:     Vendémiaire - Brumaire - Frimaire     (Wein - Nebel - Frost)
Winter:     Nivôse - Pluviôse - Ventôse     (Schnee - Regen - Wind)
Frühling:     Germinal - Floréal - Prairial     (Keim - Blüte - Wiese)
Sommer:     Messidor - Thermidor - Fructidor     (Ernte - Hitze - Frucht)
An die Stelle der Woche trat die Dekade, die Tage wurden nach ihrer Stellung in der Dekade benannt (z.B. Primidi - erster Tag, Duodi - zweiter Tag usw.). Man konnte also ohne weitere Informationen vom Datum auf den Wochentag schließen. Nur noch jeder zehnte Tag, der Décadi, war Ruhetag.

Aber nicht nur der Kalender wurde reformiert, auch der Tag wurde neu eingeteilt: Statt des 24-Stunden-Tages richtete sich die Uhr nach dem Dezimalsystem: Der Tag hatte 10 Stunden à 100 Minuten à 100 Sekunden - 12 Uhr mittags alter Zeit entsprach also 5 Uhr neuer Zeit. Bei Aufruf dieser Site (13:10 Uhr herkömmlicher Zeit) war es 5:49 Uhr Dezimalzeit.
Damit sich die Uhrenindustrie auf diese Zeitberechnung einstellen konnte, wurde ein Wettbewerb über eine Dezimaluhr ausgeschrieben, der auf Grund der regen Beteiligung einen großen Verwaltungsaufwand zur Folge hatte und erst nach dem Sturz Robespierres zum Abschluss kam. Er hatte jedoch kein Ergebnis, da der Konvent kein Interesse mehr zeigte und die ganze Sache begrub. Auf einigen Dokumenten der Revolutionszeit finden sich aber dezimale Zeitangaben.


Pluviôse

Thermidor

Was waren die Gründe für die Einführung dieses neuen Kalenders?
Zunächst einmal ist zu beachten, dass der Kalender in der radikalen Phase der Revolution eingeführt wurde: Sämtliche Lebensbereiche sollten erneuert werden, alle Erinnerungen an die alte Zeit sollten verschwinden - und dazu gehörte auch der alte Kalender, nach dem sich z.B. die Kirche richtete (vgl. z.B. die Messen am Sonntag usw.).
Die aufgeklärten Revolutionäre glaubten an die Vernunft, deshalb wurden auch metrische Längen- und Raummaße eingeführt. Der neue Kalender hatte in diesem Sinne viele Vorteile: So konnte man anhand des Datums unmittelbar auf den Namenstag und die Jahreszeit schließen, die Monatsnamen folgten Naturphänomenen, alle Monate waren gleich lang. Feiertage richteten sich nicht mehr nach religiösen, sondern republikanischen Ereignissen, und schließlich ist die Zeitberechnung nach der Dezimaluhr einfacher als nach der 24-Stunden-Uhr.

Warum konnte sich der neue Kalender nicht durchsetzen?
Gegenüber dem alten Kalender wies der Revolutionskalender eine größere Systematik und Durchschaubarkeit auf, wenn sich auch als kleiner "Schönheitsfehler" schnell herausstellte, dass die Berechnung der Schaltjahre problematisch werden konnte. Es gab aber gute Vorschläge, um diesen Nachteil zu beheben. Stärker als dieses wissenschaftliche Problem waren die alteingesessenen Gewohnheiten des Volkes, das am Gregorianischen Kalender festhielt.
Ausschlaggebend für das "Scheitern einer politischen Zeitrechnung" (Michael Meinzer) war jedoch die politische Entwicklung in Frankreich, wo der revolutionäre Enthusiasmus nach dem 9. Thermidor des Jahres 2 (27. Juli 1794, Sturz Robespierres) immer mehr erlahmte. Letztlich war der Tag der Republikgründung als Ausgangspunkt des Kalenders für das napoleonische Kaiserreich nicht mehr tragbar. Am 31. Dezember 1805 (10. Nivôse des Jahres 14) wurde der Revolutionskalender zu Gunsten des alten gregorianischen Kalenders abgeschafft.


Brumaire

Deshalb schreiben wir heute auch in Frankreich nicht Octidi, den 8. Germinal des Jahres 232 der Republik, sondern Donnerstag, den 28. März des Jahres 2024 anno domini.

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